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Zurück auf Feld zwei bei der Kartellgesetzrevision

"Zusammen mit Herrn Peter Hettich, Professor der Universität St. Gallen, bitte ich Sie zu beschliessen, auf diese 'verunglückte Hüftschussrevision' nicht einzutreten", sagte Alec von Graffenried im Nationalrat vom 6. März 2014.  Ob trotz oder wegen dem Votum, der Nationalrat folgte ihm mit 106 zu 77 Stimmen. Dieser Blog hat die Kartellgesetzrevision aufmerksam verfolgt, aber nie offen für ein Nichteintreten geworben:

  • Zu Art. 7a unter dem Titel "Zweckentfremdete Kartellgesetzrevision"
  • Zur verschärften Praxis bei Vertikalabreden unter dem Titel "Zahnpasta"
  • Zum Nichteintretensantrag der WAK-N unter dem Titel "Ist die Kartellgesetzrevision noch zu retten?"

Es scheint, als ob die Revision nicht mehr zu retten sei. Nachfolgend mein wohl abschliessender Kommentar zum Revisionsprozess, der gestern in der Handelszeitung erschienen ist:

Nach dem Nichteintreten des Nationalrats am vergangenen Donnerstag wird die Kartellgesetzrevision aller Voraussicht nach scheitern. Die Schweiz bleibe eine "Hochpreisinsel", wurde in der Folge verschiedentlich getitelt; eine Zeitung stellte die 106 "fehlbaren" Politiker gar an einen virtuellen Pranger. Das Kartellgesetz ist jedoch kein taugliches Instrument für beliebige wirtschaftspolitische Anliegen und vermutlich auch ungeeignet für eine Korrektur des Preisniveaus. Vielmehr erwies sich die schon pendente Revision für den Bundesrat und die Räte als ein gerade passendes Ventil für den aus der Frankenstärke entstehenden politischen Handlungsdruck.

An sich war der Revisionsprozess in einer Weise aufgegleist, um eine "Kaperung" durch die Tagespolitik zu verhindern. Auftakt bildete ein im Dezember 2008 veröffentlichter Evaluationsbericht, dessen Handlungsempfehlungen im Juni 2010 Eingang in einen Vorentwurf fanden. Was die Revision jetzt wohl zum Scheitern bringen wird, war denn auch weder im Evaluationsbericht noch im Vorentwurf enthalten. Nachdem jedoch der Franken am 9. August 2011 beinahe Parität mit dem Euro erreichte, beschloss der Bundesrat eine inhaltliche Neuausrichtung der Vorlage. Entgegen den Empfehlungen der Experten sollte das Gesetz verschärft werden («per-se-Verbot» für harte Abreden). Nach einer kurzen konferenziellen Vernehmlassung wurden die Eckpfeiler der Revision im November 2011 vom Bundesrat entsprechend neu fixiert. Im Dezember 2011 folgte der Nationalrat dieser Stossrichtung, indem er die Motion Birrer-Heimo zu unzulässigen Preisdifferenzierungen gegenüber dem Ausland annahm. Dieser unheilvollen Dynamik wollte sich auch der Ständerat nicht entziehen, der die Vorlage als Erstrat behandelte.

Anders als der Vorentwurf stand die vom Nationalrat zu behandelnde Vorlage nicht mehr auf ökonomisch gesichertem Terrain. So fordern Ökonomen bei Vertikalabreden eine Einzelfallprüfung, was auch dem Trend in der internationalen Rechtsentwicklung entspricht. Der Bundesrat dagegen schlug in seinem Entwurf eine Beweislastumkehr vor, die sich ähnlich einem Verbot ausgewirkt hätte. Er erhoffte sich von dieser Verschärfung einen Preisdruck auf Markenprodukte, die im Ausland teilweise wesentlich günstiger erhältlich sind. Dieser Hoffnung wurde freilich die Basis entzogen, als das Sekretariat der Wettbewerbskommission (Weko) bei den Markenartikellieferanten weder unzulässige Preisabreden noch Anhaltspunkte für Behinderungen von Parallelimporten entdecken konnte. Ohnehin hat die Weko ihre Praxis im Bereich der Marktabschottung (Parallelimporte) schon vor Anlaufen des Revisionsprozesses verschärft ("per-se-Erheblichkeit"). Diese Verschärfung ist sowohl bei Juristen als auch bei Ökonomen umstritten, wurde jedoch kürzlich vom Bundesverwaltungsgericht geschützt. Folgt das Bundesgericht dieser neuen Praxis, so wird die Revision bei den Vertikalabreden vorweg genommen und an sich überflüssig.

Der vom Ständerat verabschiedete Art. 7a KG zur "unzulässigen Behinderung des Einkaufs im Ausland" hätte das Arsenal der Weko wohl nicht entscheidend verstärkt. Ein solcher faktischer Lieferzwang ist wettbewerbspolitisches Neuland und in seinen Wirkungen unvorhersehbar. Statt den Wettbewerb zu schützen, hätte die Weko diesen in Form von Lieferkonditionen und Preisvorgaben regulieren müssen. Dies würde den Zweck des Kartellgesetzes – die Förderung eines wirksamen Wettbewerbs – pervertieren. Es erscheint unverantwortlich, dass der Ständerat diese Norm ohne vertiefte Prüfung im Gesetz verankern wollte.

Auch wenn das Nichteintreten wohl nicht dem ordnungspolitischen Gewissen des Nationalrats zu verdanken ist, öffnet dieses doch den Weg zurück auf "Feld zwei": die Empfehlungen des Evaluationsberichts. Neben der Professionalisierung der Weko ist namentlich die Reform der zu permissiven Zusammenschlusskontrolle voranzutreiben. Diese fördert Marktkonzentrationen, die zum hohen Preisniveau in der Schweiz beitragen. Eine Bekämpfung der "Hochpreisinsel" bedingt aber auch den Abbau internationaler Marktzutrittsschranken, z.B. durch konsequente Umsetzung von "Cassis de Dijon" und durch internationalen Agrarfreihandel.

Posted in Regulierung, Wettbewerb and tagged with Birrer-Heimo, Hochpreisinsel, Wettbewerb, Preisregulierung, Kartellgesetz, Parallelimporte, Wettbewerbsrecht.

March 14, 2014 by Peter Hettich.
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OLMA Bratwürste: Kulinarischer Hochgenuss oder Todesfalle?

OLMA Bratwürste: Kulinarischer Hochgenuss oder Todesfalle?

Studien und "Junk Science"

OLMA Bratwürste: Kulinarischer Hochgenuss oder Todesfalle?

OLMA Bratwürste: Kulinarischer Hochgenuss oder Todesfalle?

"Jede Dritte Frau in Europa leidet unter Gewalt" titelten am Mittwoch der Tagesanzeiger und diverse andere Medien. Das den Artikel begleitende (Symbol-)Bild zeigt einen direkten körperlichen Übergriff auf eine Frau. Man(n) ist schockiert. "Schock-Studien" geben manchem Medium die nötige Würze und erhaschen offenbar wirksam die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers; entsprechend oft werden Studien zitiert:

  • "Zürcher Studie: Zappelphilipp-Syndrom bei Erwachsenen häufiger als vermutet" (NZZ, 4. März 2014)
  • "Streit um Feinstaub-Studie Schlechte Luft wegen Tempo 30" (FAZ, 5. März 2014)
  • "Vegetarier sind häufiger krank als Fleischesser" (20min, 1. März 2014)
  • "Studie fragt Studis: Ist Hirndoping fair?" (20min, 27. Februar 2014)
  • "ETH-Studie besagt: Schweizer diskriminieren Deutsche im Alltag nicht" (Aargauer Zeitung, 27. Februar 2014)
  • "Welche Büros krank machen" (Der Bund, 28. Februar 2014)
  • "Ist die Schweizer Armee schwulenfeindlich?" (20min, 24. Februar 2014)
  • "Studie zeigt: Finanzkrise lässt Griechen erkranken" (20min, 21. Februar 2014)
  • Verzicht aufs Rauchen macht laut Studie glücklicher (gmx, 14. Februar 2014)
  • ...
  • "Social Media macht kindisch und süchtig" (Tages-Anzeiger, 10. April 2013)
  • "Neuer Risikofaktor für Autismus entdeckt" (Tages-Abzeiger, 21. März 2013)
  • "US-Studie: Schlafmangel macht hungrig - und dicker" (Blick, 12. März 2013)
  • "Grosser Wurstkonsum erhöht laut Zürcher Studie das Sterberisiko (Blick, 7. März 2013)
  • "Giftstoffe in Kinderregenjacke der Migros" (Tages-Anzeiger, 13. Februar 2013)
  • "Neue Studie: Kaiserschnitt kann krank machen!" (Blick, 12. Februar 2013)
  • "Die Outdoor-Jacke" macht krank (Tages-Anzeiger, 20. November 2012)

Kürzlich hat sich die Tagung "Wissenschaftskommunikation im Wandel" mit dieser zuweilen reflektions- und kritiklosen Übernahme wissenschaftlicher Erkenntnisse in der journalistischen Arbeit befasst. So werden Resultate von Studien einseitig und meist als Pionierarbeiten dargestellt; die wissenschaftliche Unsicherheit wird ausgeblendet (Siehe hier den zusammenfassenden Artikel "Wie Wissenschaftler herausfanden…"). Links zu den Studien oder Worte wie "Signifikanzniveau" und "Standardfehler" finden sich tatsächlich in den meisten Medienberichten nicht. Dies hat zur Folge, dass der kritische Leser kaum herausfinden kann, ob es sich bei den Studien einfach um "Junk Science" handelt (wie z.B. bei einer Studie zur Korrelation von Schokoladekonsum und Nobelpreisträgern in einem Land). Die Qualität der Datenbasis ("garbage in, garbage out") wird ein Leser von vorneherein nicht einschätzen können. Er muss sich folglich in einem ständigen Angstzustand über dieses oder jenes neu erkannte Gesundheitsrisiko befinden... oder er blendet all die präsentierten Ergebnisse einfach aus und lebt weiter wie zuvor.

Dieser Beitrag bezweckt nicht Medienbashing, sondern etwas anderes: Studien der genannten Art finden nämlich nicht nur Aufnahme in die Medien, sondern bilden auch die Grundlage von Politikentscheiden. Namentlich im Bereich der Gesundheitsprävention wird die Ausgestaltung von rechtlichen Regimes häufig auch wissenschaftlich begündet (man denke an Mindestpreise oder Nachtregimes für Alkohol sowie an amtliche Ernährungshinweise und -empfehlungen). Heute jedoch ist die Anzahl verschiedener Studien, die jeweils unterschiedliche und sich widersprechende Politikempfehlungen beinhalten, schier unüberblickbar. Dies vermittelt der Verwaltung eine grosse Machtfülle, weil sie ihre regulatorischen Vorstösse relativ problemlos auch wissenschaftlich legitimieren kann. Für die Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Ergebnisse bestehen aus rechtlicher Sicht keine normativen Kriterien. Dadurch muss namentlich die gerichtliche Kontrolle solcher Verwaltungsentscheiden leer laufen (siehe dazu bisher einzig den Artikel hier). Soll dieser "Definitionsmacht" der Verwaltung etwas entgegengesetzt werden, werden Richter nicht umhin kommen, sich vermehrt auch mit statistischen Methoden zu befassen.

Buchempfehlung: Statistische Methoden für Nichtstatistiker - Spannend!

Foto Credit: Zenit (Eigenes Werk) [GFDL oder CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons

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March 7, 2014 by Peter Hettich.
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Angebot und Nachfrage in der Simulation eines primitiven (vollkommenen) Marktes

Angebot und Nachfrage in der Simulation eines primitiven (vollkommenen) Marktes

Marktversagen allenthalben

Angebot und Nachfrage in der Simulation eines primitiven (vollkommenen) Marktes

Angebot und Nachfrage in der Simulation eines primitiven (vollkommenen) Marktes

Der von mir gelesene Kurs "Öffentliches Wirtschaftsrecht (Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht)" ist - als juristischer Kurs - naturgemäss geprägt von den vielen staatlichen Marktinterventionen und Marktregulierungen. Ich kann den Studierenden kaum vorhalten, dass das Kursprogramm den Blick auf die autonom ablaufenden Marktprozesse etwas verstellt. Was nicht regelgebunden ist, kann in einem juristischen Kurs schlecht dargestellt werden. So erntet die Frage, wie sich die Vorgänge in einem Markt vor Inkrafttreten oder bei Wegfall einer bestimmten Regulierung X gestalten würden, ganz grosse Augen. Geradezu schockiert zeigen sich die Nachwuchsjuristen, wenn sie erfahren, dass der Staat den Bauern nicht vorschreibt, ob sie Karotten oder Weizen anbauen sollen - wie soll denn das bitte aufgehen, wenn plötzlich alle dasselbe machen?

Quasi als Rettung erweist sich eine primitive Marktsimulation, die der Volkswirt Edward Chamberlin schon 1948 mit seinen Studenten durchgeführt hat. Dabei werden die Studierenden informiert, dass sie nun an einem Markt "teilnehmen". Allen wird eine Rolle - Käufer oder Verkäufer - zugewiesen sowie ein Höchstkaufspreis bzw. ein Mindestverkaufspreis. Ohne weitere Instruktion aufeinander losgelassen, verwandeln die Studenten den Unterrichtsraum schnell zum Basar. Dann geschieht erstaunliches: Innert Minuten bildet sich der Marktpreis, der - wie sich im nachhinein errechnen lässt - nahe am theoretischen Optimum liegt (Darstellung oben). Praktisch alle effizienten Transaktionen finden statt.

Freilich lässt sich dieses Experiment nur schwer auf die reale Welt übertragen. Märkte funktionieren tatsächlich nicht perfekt. Auch die Ökonomie identifiziert diverse Gründe für Marktversagen, die sich nahezu in allen Märkten zu einem gewissen Grad finden lassen: Öffentliche Güter, Allmendegüter, externe Effekte, andauernde Marktmacht, Informationsasymmetrien und begrenzte Rationalität. Allerdings fordern die Ökonomen auch, dass bei einer staatlichen Marktintervention die Gefahr eines Regulierungsversagens nicht wahrscheinlich sein darf. Die Intervention muss zumindest zu einer Verbesserung des (mutmasslich mangelhaften) Marktergebnisses führen.

Der Gesetzgeber muss sich darum nicht scheren. Das Bundesgericht hat erst kürzlich festgestellt, dass Marktversagen bei der Begründung von Interventionen keine Rolle spielt. Ohnehin besteht - zumindest nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - keine rechtlich durchsetzbare allgemeine Verpflichtung des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers für eine gute Gesetzgebung (BVGer A-6181/2009, E. 5.4.1.). Wenn der Gesetzgeber Märkte reguliert, muss er dies also nicht rational begründen können.

In einer Zeit, in der die Bundesversammlung von Juristen und Berufspolitikern dominiert wird, in der mehr und mehr wirtschaftliche Prozesse zentral gesteuert werden sollen, und in der die Marktwirtschaft gegen einen Ansturm systemändernder Initiativen (1:12, Mindestlohn, Masseneinwanderung, Ecopop, etc.) mehr schlecht als recht verteidigt wird, wäre es vielleicht durchaus Zeit für ein kleines Marktspiel im Parlament.

Posted in Regulierung, Universität, Wettbewerb and tagged with Preisregulierung, Studium, Wettbewerb.

February 28, 2014 by Peter Hettich.
  • February 28, 2014
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