Diesen Montag konnte der Blick-Leser interessante Einblicke des ersten energieautarken Hauses der Welt gewinnen (Titel: "Wie lebt es sich im Heim der Zukunft?"). Das Haus hat keinen Anschluss an das öffentliche Elektrizitätsnetz, was gewisse Implikationen für dieses hat (dazu schon früher hier). Das Haus ist zudem so gebaut, dass die Familie Vogt nicht nur autark leben, sondern auch ihren Stromverbrauch auf 2200 KWh reduzieren kann (weniger als die Hälfte des Durchschnittshaushalts!).
Die Optimierung verlangt einen sehr bewussten Umgang mit Strom und Warmwasser. Was die Familie Vogt ohne weiteres hinkriegt, dürfte wohl nicht jedermanns Sache sein: Der gemütliche Raclette-Abend wird auf dem Kontrollpanel als Stromfresserabend "rot" angezeigt. Die Waschmaschine sollte im ECO-Programm laufen und braucht dann 3 Stunden für eine Ladung. Den Wasserstrahl aus der Sparbrause empfand Herr Vogt zu Beginn als "etwas dünn"; er habe sich rasch daran gewöhnt. Manche Gäste würden den Boden als kalt empfinden, sagt Frau Vogt, was wohl auch für die vorgegebene Raumtemperatur von 21 Grad gelten wird.
Das Sparen kann man als Tugend sehen, die keiner weiteren Rechtfertigung bedarf. Fraglich ist dennoch, ob auch im Überfluss gespart werden muss. Elektrizität für Haushalte ist heute in beliebiger Menge, in angemessener Qualität und zu günstigen Preisen erhältlich. Im sogennannten Zieldreieck für günstige, umweltfreundliche und sichere Energieversorgung belegt die Schweiz weltweit den zweiten Rang. Aufgrund der Energiepolitik in Deutschland war Elektrizität zudem noch nie so günstig erhältlich: Der Grosshandelspreis liegt bei 2-3 Rp./KWh. In dieser Welt des umweltfreundlichen Energieüberflusses muss sich ein rationaler Mensch doch fragen: Warum in aller Welt sollte jemand Energie sparen wollen?
St.Gallen, 11. November 2016