Der Mai setzte neue Rekorde in der Geschichte der Bussen gegen fehlbare Unternehmen. Zunächst hat die Credit Suisse am 20. Mai 2014 angekündigt, ihren Steuerstreit mit den amerikanischen Behörden gegen ein Schuldeingeständnis und eine Strafzahlung von USD 2,6 Mia. beilegen zu können. Die Bank BNP Paribas wird für ihre mutmasslichen Verstösse gegen amerikanische Sanktionen betreffend Iran vermutlich einiges tiefer in die Tasche greifen und zwischen USD 8-10 Mia. bezahlen müssen. Schliesslich wurde am 29. Mai bekannt, dass die brasilianischen Wettbewerbsbehörden sechs Zementkonzerne wegen Behinderungspraktiken zu Bussen von gesamthaft USD 1,4 Mia. verpflichten. Angesichts dieser Zahlen erstaunt nicht, dass der Begriff "Regulatory Inflation" heute nicht nur das Wachstum an gesetzlichen Vorschriften, sondern auch das stetige Ansteigen der verhängten Geldbussen bezeichnet.
Wer denkt, dass die hier betroffenen Unternehmen lediglich ihre (dunkle) Vergangenheit bewältigen und der Bussenreigen einmal ein Ende haben muss, täuscht sich. Es ist weitaus naheliegender anzunehmen, dass die Gegenwart von heute einmal ebenso mit Bussen aufgearbeitet werden wird. Dies aus folgenden Gründen:
- Die hier verfolgten Gesetzesverstösse gründen meist in komplexen Regelwerken und relativ undurchsichtigen bis unverständlichen Gesetzesnormen, die das Zulässige vom Unzulässigen nicht mehr scharf trennen. Das Rechtmässige lässt sich vom Unrechtmässigen nur noch in Grauschattierungen unterscheiden. Auf der sicheren Seite ist der Unternehmer kaum mehr, will er nicht gänzlich untätig bleiben (Siehe schon dieser Blog zum "Umgang mit Rechtsrisiken (oder: warum Küchenmesser verboten sind)";
- Eine Gegenwehr der Unternehmen findet nicht statt, Rechtsmittel werden nicht ergriffen. Die Gründe dafür sind vielschichtig und wurden auch schon hier thematisiert ("Finma - Unchallenged Power"). Bei Strafverfahren kommt hinzu, dass viele Unternehmen solche nicht jahrelang "überlebend" überstehen können. Dies verleiht den Vollzugsbehörden zusätzliche Anreize, Verstösse gegen die unklaren Normen mit immer höheren Bussen zu ahnden.
- Gerade im Falle des Wettbewerbsrechts sind die offenen Normen auch vortrefflich zur Durchsetzung wettbewerbsfremder, wirtschaftspolitischer Ziele geeignet und die in diesem Bereich verhängten Bussen erscheinen als vorzügliches Mittel zur Alimentierung knapper Staatsfinanzen (siehe dazu etwa die ökonomische Kritik von Markus Saurer an den brasilianischen Bussen gegen die Zementfirmen; sodann die Sicherung von Arbeitsplätzen durch die südafrikanischen Wettbewerbsbehörden in der Fusion Glencore/Xstrata). Es bleibt auch das ungute Gefühl, dass zumindest in dieser Phase ausländische Unternehmen härter als inländische angepackt werden (siehe den Economist hier und hier).
- Die bezahlten Bussen erscheinen so zunehmend als unvermeidliche "Costs of Business" der Tätigkeit im betreffenden Markt. Bezahlt werden die Bussen indirekt von Kunden und Aktionären. Auf die Vergütungen der leitenden Organe haben die Bussen zumindest im Finanzbereich keinen offensichtlichen Einfluss. An eine persönliche Verantwortung sind die Strafen und das Schuldeingeständnis des Unternehmens offenbar nicht gekoppelt. Eine Strafverfolgung oder ein Rückgriff auf die direkt oder indirekt Verantwortlichen geschieht sichtlich nur in Einzelfällen. Damit verlieren die Bussen auch ihren Strafcharakter.