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Rituale der Nullrisikogesellschaft

Im afrikanischen Busch fliegt es sich noch weitgehend unbeschwert. Nur so lassen sich jedenfalls die vergnügten Gesichter der Piloten deuten, die in ihren Kleinflugzeugen Passagiere und Fracht von Airstrip zu Airstrip transportieren. Auch der Laie kann sich gut vorstellen, dass die kommerzielle Fliegerei in einem sechsplätzigen Propellerflugzeug abwechslungsreicher ist als im computerisierten Jet. Umso mehr Verständnis hat man für den Piloten, der sich lauthals darüber beklagt, dass das Sicherheitspersonal (an den grösseren Flugplätzen) ihm tatsächlich manchmal die Wasserflasche wegnehme. Das Verbot von Flüssigkeiten wird auch in Afrika rigoros durchgesetzt.

Der Sicherheitsapparat erachtet die Risiken durch dehydrierte Piloten offenbar als weniger relevant als das Risiko, dass ein Pilot sein Flugzeug mittels eines Flüssigsprengstoffs zur Explosion bringen könnte. Wenig bedacht hat man dabei offenbar, dass Piloten ihre Flugzeuge auch ohne Sprengstoff zuverlässig zum Absturz bringen können. Verstehen kann das nur, wer Sicherheit nicht als kalkulierte Gratwanderung zwischen Sicherheitskosten und Sicherheitsnutzen sieht, sondern diese vielmehr mit religiösen Argumenten wertet.

Flughäfen sind die Kathedralen des Zeitalters der Globalisierung. Beim Gang zum Gate legen die Reisenden eine Strecke zurück, die einer Wallfahrt zur Ehre gereicht. Auf diesem Weg sind verschiedene Stationen der Reinigung zu passieren, bei denen man sich die Pilger ihrer Schuhe auch dann entledigen, wenn diese selbst dem feinsten Detektor als unverdächtig erscheinen müssen. Statt des Pilgerstabs trägt der Reisende der Postmoderne ein Gefrierbeutelchen mit verschiedenen Gefässen bei sich – 100 ml fasst ein jedes davon. Im Glauben an die absolute Sicherheit wird gemeinsam mit dem Sicherheitspersonal dem Nullrisiko gehuldigt. Unerreichbar muss dieses Paradies jedoch mindestens solange bleiben, als die Fracht in den dunklen Bäuchen des Flugzeugs nicht ebenso Erleuchtung erfährt wie das Handgepäck des pilgernden Passagiers. Abseits des öffentlichen Rampenlichts, in den Frachthallen, ist die sicherheitsbeauftragte Priesterschaft weit weniger streng in der Einhaltung ihrer Gebote.

St.Gallen, 10. Juli 2015

Posted in Infrastrukturrecht, Prävention and tagged with Sicherheit, Risiko, Tourismus.

July 10, 2015 by Peter Hettich.
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Foto: Eugene Ermolovich (CRMI), Lizenz CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Die Ethik der Anderen

Foto: Eugene Ermolovich (CRMI), Lizenz CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Wer den jetzigen und den revidierten Verfassungsartikel zur Fortpflanzungsmedizin (Anpassung von Art. 119 Abs. 2 Bst. c BV) nebeneinander hält, kann kaum materielle Unterschiede ausmachen. Die neu zugelassene "Präimplantationsdiagnostik" kommt gar nicht im Verfassungstext vor (sondern im Fortpflanzungsmedizingesetz, das noch dem Referendum unterstehen wird). Die Gegner sehen in der Vorlage die Gefahr einer Selektion von "wertvollem" und "minderwertigem" Leben. Die Vorwürfe scheinen arg weit hergeholt, richten jedoch den Blick auf die moralisch-ethische Dimension des Änderungsvorschlags. Nach der hier vertretenen Auffassung ist ethisch nur ein Ja zur Verfassungsänderung vertretbar.

Ethische Anliegen können über den "Schutz der Menschenwürde" in das Recht eingebunden werden: Neben der Fortpflanzungsmedizin sind entsprechende Verweise auch bei der Forschung am Menschen (Art. 118b), bei der Transplantationsmedizin (Art. 119a) und bei der Gentechnologie im Ausserhumanbereich (Art. 120) zu finden. Was die "Würde des Menschen" konkret ausmacht und was die Ethik von der Gesetzgebung verlangt, ist jedoch in all diesen Bereichen völlig unklar. Die Lehre vom moralisch korrekten Handeln übt sich vor allem an Extrembeispielen, soweit sie sich überhaupt um einen Bezug zur Realität bemüht. Immerhin beteiligen sich die "angewandten" Ethiker an konkreten gesellschaftlichen Diskussionen, z.B. in bereichsspezifisch eingerichteten "Ethikkommissionen". Als konkrete Handlungsempfehlung hat sich etwa die Eidg. Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) auch schon zur Würde der Pflanzen geäussert. Wer dieses Papier liest, hegt schnell den Verdacht, dass die Ethik hier – angesichts des Fehlens eines allgemein anerkannten normativen Massstabs – einfach zum Transport der eigenen politischen oder religiösen Wertvorstellungen missbraucht wird. Diese Gefahr besteht auch vorliegend.

In einem Rechtsstaat haben Gesetzgeber und Behörden grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bürger das anwendbare Recht einhalten. Unterstellte man den Bürgern immer gleich Rechtsbruch oder Rechtsmissbrauch, würde dies unsere gesellschaftlichen Strukturen grundsätzlich infrage stellen. Analog kann angenommen werden, dass unsere Mitmenschen ihr Handeln durchaus an einem Wertgefüge ausrichten. Zu glauben, dass man als Einziger über einen geeichten moralischen Kompass verfüge, alle anderen aber nicht, ist ignorant und arrogant zugleich. Wer daher seine persönlichen Wertvorstellungen anderen aufzwingen will, bedarf aus moralischer Sicht einer besonderen Rechtfertigung. Diese wird bei der Stimmabgabe an der Urne freilich nicht abgefragt. Nichtsdestotrotz stellt die blosse Möglichkeit, anlässlich einer Volksabstimmung anderen etwas verbieten zu können, für sich allein keine Legitimation für das Verbot dar. Mit anderen Worten ist das, was man tun kann und tun darf, nicht deckungsgleich mit dem, was man tun soll. Wer also seinen Mitmenschen den Zugang zu den hier vorgeschlagenen, offensichtlich unproblematischen Verfahren der Fortpflanzungsmedizin verbieten möchte, sollte zuallererst näher ergründen, ob die eigene ethische Basis für diese Intervention in Drittangelegenheiten auch wirklich belastbar ist.

St.Gallen, 5. Juni 2015

Posted in Innovation, Prävention, Regulierung and tagged with Innovation, Fortpflanzungsmedizin, Präimplantationsdiagnostik.

June 5, 2015 by Peter Hettich.
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"Pilule contraceptive". Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 fr über Wikimedia Commons

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Antibabypille Yasmin - Hersteller haftet nicht

"Pilule contraceptive". Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 fr über Wikimedia Commons

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Die Geschichte von Céline war vielfach in der Presse zu lesen: Am 20. März 2008 erlitt die 17-jährige Frau eine schwere beidseitige Lungenembolie, was zu einem Herzstillstand und schweren Hirnschäden führte. Seither kann Céline nicht mehr sprechen und muss künstlich ernährt werden. Nach umstrittener Auffassung stellt die Einnahme des hormonellen Verhütungsmittels "Yasmin" die Ursache der Embolie dar; diese wurde Céline drei Monate vor dem Unglück von einem Arzt verschrieben.

Das Bundesgericht hat nun letzten Mittwoch die Begehren um Schadenersatz und Genugtuung über eine Summe von mehr als 5,7 Mio. Franken abgewiesen. Gleich entschieden haben zuvor das Bezirksgericht und Obergericht des Kantons Zürich. So tragisch die Umstände auch sind: Diese Entscheide erscheinen als richtig.

Die Pille ist offensichtlich nicht "sicher"

Nach dem Massstab des Produktehaftpflichtgesetzes sei das Medikament nicht fehlerhaft. Gar nicht geprüft wurde die Zulassung des Medikamentes: Für diese muss das Arzneimittel qualitativ hoch stehend, sicher und wirksam sein (Art. 10 HMG). Nun zeigen statistische Daten, dass Thrombosen als mögliche Auslöser von Lungenembolien eine bekannte, aber seltene Nebenwirkung von hormonellen Verhütungsmitteln sind. Die Packungsbeilage weist auf diese Nebenwirkung hin. Das Produkt ist also offensichtlich nicht "sicher". War die Zulassung also ein Fehler?

Absolute Sicherheit gibt es nicht

Der Gesetzgeber, der Bundesrat und die Swissmedic sagen uns nichts zur erforderlichen Sicherheit. Über das Restrisiko erfahren wir erst etwas in internationalen Richtlinien. Danach ist eine Zulassung zu verweigern, wenn eine "nicht unerhebliche potentielle Gefahr für die öffentliche Gesundheit" besteht. Die absolute Sicherheit eines Medikamentes wird nicht verlangt; das akzeptierte Risiko ist abhängig von der Wirksamkeit des Medikamentes. Der Zulassungsentscheid erfordert damit eine Güterabwägung: Die mit einer ungewollten Schwangerschaft verbundenen Risiken sind mit den Risiken der Einnahme des Arzneimittels abzuwägen. In beiden Fällen erleiden Menschen Schäden oder sterben sogar, was nicht verhindert werden kann.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass Zulassungsentscheide fehlerhaft sein können. Wirksame Arzneimittel werden also unter Umständen nicht zugelassen, obwohl die Bedingungen erfüllt wären. Auch werden unwirksame oder unsichere Medikamente manchmal zugelassen, was nicht passieren sollte. Schliesslich benötigt das Zulassungsverfahren Zeit (über ein Jahr); während dieser Zeit stehen wirksame Medikemente zur Behandlung von Krankheiten nicht zur Verfügung. Eine strengere Zulassungsprüfung für Medikamente rettet also nicht zwingend menschliches Leben. Fehler sind daher unvermeidbar und haben unter Umständen schwere Gesundheitsschäden oder Tote zur Folge.

Verantwortung für die Opfer der Risikogesellschaft

Es ist schwer zu akzeptieren, dass eine hochentwickelte Gesellschaft Risiken nicht gänzlich aussschliessen kann. Es ist ethisch noch schwerer zu erklären, dass eine Gesellschaft Opfer quasi in Kauf nehmen muss. Reflexartig wollen wir nach den Verantwortlichen fahnden und die Schuldigen bestrafen. Jedoch gibt es keine "Schuld", wo sich ein gesellschaftlich akzeptiertes Risiko als Schaden manifestiert. Wir wussten um das Risiko, und dass sich die Inkaufnahme dieses Risikos im Einzelfall als äusserst tragisch erweisen kann. Es wäre in dieser Situation falsch, eine Kompensation zuzusprechen, nur weil der Risikoverursacher in der Lage ist, diese Kompensation zu zahlen. Vielmehr ist es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, sich den Opfern der von ihr akzeptierten Risiken anzunehmen. Die Gesellschaft erfüllt diese Aufgabe nicht durch Zahlung grosses Summen im Einzelfall, sondern durch ein ausgebautes Sozialversicherungsnetz. Mehr sollte nicht verlangt werden.

St.Gallen, 23. Februar 2015

Posted in Konsumentenschutz, Prävention, Regulierung and tagged with Heilmittelrecht, Risiko, Sozialversicherung.

January 23, 2015 by Peter Hettich.
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