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Grafik: Corinne Bromundt; Copyright: HSG Focus

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Zerstörung ohne Schöpfung

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Der Prozess der fortwährenden Erneuerung der Wirtschaft ist in der alten Welt ins Stocken geraten. Anbei meine Kolumne im Unimagazin HSG Focus von dieser Woche, ein Plädoyer für eine Wiederherstellung unternehmerischer Freiräume.

Schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts beschrieb Joseph Schumpeter den Wettbewerb als «Prozess der schöpferischen Zerstörung». Innovationen seien der Auslöser eines fortwährenden Mutationsprozesses in der Wirtschaft, der alte Strukturen zerstört und unaufhörlich neue schafft. Schumpeter sah diesen Wandlungsprozess nicht als schädlich an, sondern vielmehr als Herzstück – als das für eine Marktwirtschaft «wesentliche Faktum». Im Abstrakten ist dies für jeden einleuchtend: Das Rad ersetzte Träger und Sänften, der Traktor ermöglichte das Pflügen ohne Pferd, das Smartphone trat an die Stelle des Natel C – und das ist gut so, werden wir wohl alle sagen. Schöpferische Zerstörung führt aber auch dazu, dass sich nur die Hälfte der Unternehmen im aktuellen SMI schon bei dessen Lancierung am 30. Juni 1988 im Index fand. Im Dow Jones Industrial Average steht seit dem 26. Mai 1896 einzig die General Electric Company als unverrückbarer Fels in der Brandung.

Verständliche Existenzängste

Für den einzelnen können solche Anpassungsprozesse schmerzhaft sein. In meiner Heimatgemeinde, dem aargauischen Koblenz, übten die Fährleute jahrhundertelang das Monopol für den Warentransport zur nahen Zurzacher Messe aus. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn und der Auflösung der Messe verloren die Schiffer jedoch ihre Existenzgrundlage; die «Stüdlergenossenschaft» löste sich 1858 auf. Ich selbst kann mich auch gut an die Existenzängste erinnern, die meinen Vater – und manch andere – während der Krisenjahre der reformunfähigen Brown, Boveri & Cie. plagten. Die vielen, nervenaufreibenden Entlassungswellen in dieser Zeit gingen für ihn glücklicherweise ohne Folgen vorüber. Heute säumen dennoch keine arbeitslosen Ingenieure die Strassen im aargauischen Baden. Nicht unvermutet gibt es auch keine arbeitslosen Fährleute in Koblenz. Dabei hat die – in vielen Dingen eher kleingeistige – Dorfgemeinschaft ausser Albert Stoll, der 1872 den Bürostuhlhersteller Stoll Giroflex AG gegründet hat, keine grossen Unternehmer hervor gebracht.

Keine Aufbruchstimmung

Seit 2007 – man mag es nicht mehr hören – steht Europa nun in einer Krise, die mit dem Platzen einer Immobilienblase in den USA begann und sich über eine Liquiditätskrise des Bankensystems zu einer europäischen Schuldenkrise gemausert hat. Die angerichtete Zerstörung ist unermesslich; jedoch würde man erwarten, dass dadurch auch Raum für neue Unternehmen entsteht. Während die Welt die Krise hinter sich lässt, ist jedoch in Europa von Aufbruchsstimmung nichts zu spüren. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, Europa würde einen Berg von Problemen mit der Absicht vor sich herschieben, diese hoffentlich bald einmal einer neuen Generation (von Politikern?) aufbürden zu können. Bestrebt darin, das Bestehende vor Zerstörung zu schützen, verschliesst sich Europa möglichen Innovationen und den damit einhergehenden Chancen – und dennoch kann es den Zerfall nicht aufhalten. Der Prozess der fortwährenden Erneuerung der Wirtschaft ist in der alten Welt ins Stocken geraten: Zerstörung ohne Schöpfung. Niemanden darf das überraschen.

Verklagen statt konkurrieren

Unmittelbar nach der Unternehmensgründung legen wir unseren Jungunternehmern einen Mühlstein aus arbeits-, steuer-, lebensmittel-, umwelt-, bau-, energie- und immaterialgüterrechtlichen Vorschriften um den Hals – und wundern uns, dass da niemand durchstarten oder gar abheben kann. Der deutsche Politiker Christian Lindner ätzte jüngst, dass Apple-Gründer Steve Jobs in Deutschland schon an der Baunutzungsordnung seiner Garage gescheitert wäre; das Lachen bleibt uns Schweizern im Halse stecken, wenn wir merken, dass dies hier rechtlich genauso wäre. Das Regulierungsdickicht führt dazu, dass potenziell disruptive Innovatoren von eingesessenen Konkurrenten eher verklagt werden, als dass mit ihnen der Wettbewerb aufgenommen würde. Unternehmen mit grossen Investoren im Rücken wie Uber können es sich leisten, schon unmittelbar nach Markteintritt einen juristischen Abnützungskampf zu führen – das normale Start-up hingegen wird die Waffen strecken. Politisch gut vernetzte Unternehmen dürfen allenfalls auf ein Plätzchen im Innovationspark hoffen, solange sie sich gesellschaftlich verantwortungsvoll verhalten und darüber auch regelmässig Bericht ablegen.

«Wachstumspakte»

Die Erneuerungsunfähigkeit des sklerotischen Europa hat sich tief in unseren Köpfen eingebrannt: Wer junge Entrepreneure in Shanghai, San Francisco und Mumbai fragt, wo das nächste «Google» gegründet werde, wird ein stolzes «hier» als Antwort erhalten. Unternehmer in Europa werden das nächste Google aber in Shanghai, San Francisco oder eben Mumbai entstehen sehen. Innovationen werden hierzulande lieber demokratisch ausdiskutiert statt umgesetzt. Schöpferische Akte sind bewilligungspflichtig. Thomas Piketty hat nach seiner beissenden Kapitalismuskritik gut daran getan, den Orden der «Légion d’Honneur» mit dem Ratschlag an die französische Regierung zurückzuweisen, sie solle sich doch bitte auf die Wiederbelebung des Wachstums konzentrieren. Statt einer nachhaltigen Wachstumspolitik kündigt die europäische Politik jedoch lieber Investitions- und Wachstumspakte an, die nur aufgrund ihrer stetig wachsenden finanziellen Dimension noch medienwirksam verkündet werden können. Wahre Entrepreneure werden dieses Geld – soweit es denn zusammengekratzt werden kann – nicht in Anspruch nehmen; es wird ihnen zutiefst zuwider sein, den notariell beglaubigten Finanzierungsantrag in dreifacher Ausfertigung zu verfassen.

Gutschweizerischer Pragmatismus

Die fortwährende Krise in Europa sollte die Schweizer nicht zu Müssiggang verleiten, sondern sie vielmehr dazu anhalten, mit Blick auf die dynamischen Staaten von ihren Volksvertretern stetige Verbesserungen der Rahmenbedingungen einzufordern. So weist auch der Schweizer Bürokratiemonitor eine immerwährend steigende administrative Belastung auf. Der Reformstau, vor allem im Bereich der Gesundheitspolitik und Altersvorsorge, ist erheblich. Derweil erscheint die Schweiz aufgrund des starken Frankens und der andauernden Niedrigzinspolitik als angeschlagen. Nun bemüht sich die Verwaltung zwar punktuell um eine «Regulierung light» im Bereich der KMU. Auch sind der elektronische Geschäftsverkehr, one-stop-shop und customer focus für die Verwaltung keine fremden Konzepte mehr. Nötig wäre jedoch darüber hinaus die Schaffung weitreichender, über verschiedenste Regulierungsbereiche anwendbarer Ausnahmebereiche für Kleinunternehmen. Regulierung sollte sich bei «KU» also auf die notwendigsten Kernbestimmungen beschränken, in der Umsetzung begleitet von einer guten Portion des bewährten, gutschweizerischen Pragmatismus. Wer auf diese Weise unternehmerische Freiräume wiederherstellt, darf auch erleben, dass das übernächste Google in der Schweiz – in irgendeiner Garage im Toggenburg – geschaffen wird.

St.Gallen, 11. September 2015

 

Der Beitrag von dieser Woche ist am Mittwoch im Unimagazin HSG Focus erschienen. Die September-Ausgabe des Magazins gehört dem Thema "Wahlen". Nicht zuletzt aus Anlass des Eidgenössischen Urnengangs in diesem Herbst natürlich.

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September 11, 2015 by Peter Hettich.
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Foto: Eugene Ermolovich (CRMI), Lizenz CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Die Ethik der Anderen

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Wer den jetzigen und den revidierten Verfassungsartikel zur Fortpflanzungsmedizin (Anpassung von Art. 119 Abs. 2 Bst. c BV) nebeneinander hält, kann kaum materielle Unterschiede ausmachen. Die neu zugelassene "Präimplantationsdiagnostik" kommt gar nicht im Verfassungstext vor (sondern im Fortpflanzungsmedizingesetz, das noch dem Referendum unterstehen wird). Die Gegner sehen in der Vorlage die Gefahr einer Selektion von "wertvollem" und "minderwertigem" Leben. Die Vorwürfe scheinen arg weit hergeholt, richten jedoch den Blick auf die moralisch-ethische Dimension des Änderungsvorschlags. Nach der hier vertretenen Auffassung ist ethisch nur ein Ja zur Verfassungsänderung vertretbar.

Ethische Anliegen können über den "Schutz der Menschenwürde" in das Recht eingebunden werden: Neben der Fortpflanzungsmedizin sind entsprechende Verweise auch bei der Forschung am Menschen (Art. 118b), bei der Transplantationsmedizin (Art. 119a) und bei der Gentechnologie im Ausserhumanbereich (Art. 120) zu finden. Was die "Würde des Menschen" konkret ausmacht und was die Ethik von der Gesetzgebung verlangt, ist jedoch in all diesen Bereichen völlig unklar. Die Lehre vom moralisch korrekten Handeln übt sich vor allem an Extrembeispielen, soweit sie sich überhaupt um einen Bezug zur Realität bemüht. Immerhin beteiligen sich die "angewandten" Ethiker an konkreten gesellschaftlichen Diskussionen, z.B. in bereichsspezifisch eingerichteten "Ethikkommissionen". Als konkrete Handlungsempfehlung hat sich etwa die Eidg. Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) auch schon zur Würde der Pflanzen geäussert. Wer dieses Papier liest, hegt schnell den Verdacht, dass die Ethik hier – angesichts des Fehlens eines allgemein anerkannten normativen Massstabs – einfach zum Transport der eigenen politischen oder religiösen Wertvorstellungen missbraucht wird. Diese Gefahr besteht auch vorliegend.

In einem Rechtsstaat haben Gesetzgeber und Behörden grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bürger das anwendbare Recht einhalten. Unterstellte man den Bürgern immer gleich Rechtsbruch oder Rechtsmissbrauch, würde dies unsere gesellschaftlichen Strukturen grundsätzlich infrage stellen. Analog kann angenommen werden, dass unsere Mitmenschen ihr Handeln durchaus an einem Wertgefüge ausrichten. Zu glauben, dass man als Einziger über einen geeichten moralischen Kompass verfüge, alle anderen aber nicht, ist ignorant und arrogant zugleich. Wer daher seine persönlichen Wertvorstellungen anderen aufzwingen will, bedarf aus moralischer Sicht einer besonderen Rechtfertigung. Diese wird bei der Stimmabgabe an der Urne freilich nicht abgefragt. Nichtsdestotrotz stellt die blosse Möglichkeit, anlässlich einer Volksabstimmung anderen etwas verbieten zu können, für sich allein keine Legitimation für das Verbot dar. Mit anderen Worten ist das, was man tun kann und tun darf, nicht deckungsgleich mit dem, was man tun soll. Wer also seinen Mitmenschen den Zugang zu den hier vorgeschlagenen, offensichtlich unproblematischen Verfahren der Fortpflanzungsmedizin verbieten möchte, sollte zuallererst näher ergründen, ob die eigene ethische Basis für diese Intervention in Drittangelegenheiten auch wirklich belastbar ist.

St.Gallen, 5. Juni 2015

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June 5, 2015 by Peter Hettich.
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"Googleplexwelcomesign" by Coolcaesar (CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

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Google v. Kommission: Primum non nocere!

"Googleplexwelcomesign" by Coolcaesar (CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

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Die EU-Kommission hat am Mittwoch Google ihre Beschwerdepunkte zu dessen Preisvergleichsdienst mitgeteilt und eine förmliche Untersuchung zu Android eingeleitet. Nachdem das EU-Parlament bereits letzten November verklausuliert die Zerschlagung von Google gefordert hatte, darf das Verfahren niemanden überraschen. Der Vorstoss des fachlich nicht ausgewiesenen Parlaments lässt allerdings den Verdacht aufkommen, Google werde nicht wegen den angerichteten Schäden bei den Konsumenten ins Recht gefasst, sondern weil es ein (über‑)mächtiges amerikanisches Unternehmen ist.

Das Biotop für Unternehmen in Europa erscheint derzeit als eine überaus "hostile environment". Mittlerweile stellt sich niemand mehr die Frage, wieso es denn kein europäisches Google, Apple, Microsoft, Ebay oder Amazon gibt. Stattdessen pflegt sich die europäische Politik in BBB (Bashing Big Business). Zweifellos hat Google in einigen Märkten eine sehr starke Stellung erlangt, doch ist weder in den Kreisen der Ökonomen noch der Juristen geklärt, was – wenn überhaupt – konkret dagegen getan werden sollte. Wer aber nun, wie die EU-Kommission, zum Skalpell greift, sollte auch eine Vorstellung haben, was die Operation denn bewirken könnte.

Der hier beschützte Konsument muss nicht weit in die Vergangenheit blicken, um die Fehlleistungen der Wettbewerbsbehörden im Bereich neuer Technologiemärkte zu erkennen. Aufgrund der mutmasslich schädlichen Kopplung des Microsoft Media Players mit Windows sind die Konsumenten kurzfristig in den Genuss einer Wahlmöglichkeit gekommen, bei der sie Windows mit und ohne Media Player erwerben konnten – zum gleichen Preis selbstverständlich. Auch hat die EU-Kommission versucht, den Internet Explorer von Windows zu entkoppeln; der Explorer hat jedoch nicht aufgrund dieser Massnahme an Terrain verloren, sondern weil kompetitive Browser Marktanteile erobern konnten.

Niemand nimmt Microsoft heute – etwa im Vergleich zu Google und Apple – noch als übermächtig wahr. Personen mit längerem Gedächtnis als die EU-Kommission werden sich aber erinnern, dass Apple – heute eines der höchstkapitalisierten Unternehmen der Welt – noch im Jahr 1996 kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand und 1997 von Microsoft "gerettet" werden musste. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass die Dynamik in diesen Märkten nicht anhalten würde. Entsprechend dürfte der Wettbewerb die betroffenen Märkte weit schneller verändern, als dass die Wettbewerbsbehörden Rezepte gegen temporäre Marktmacht entwickeln könnten. Wie für den Arzt, der eine Empfehlung für oder gegen einen chirurgischen Eingriff abgeben muss, gilt auch für die Wettbewerbsbehörden: Primum non nocere (Zuerst einmal nicht schaden)!

St.Gallen, 17. April 2015

Posted in Konsumentenschutz, Innovation, Wettbewerb and tagged with Datenschutz, Internet, Kartellgesetz, Innovation, Wettbewerb, Wettbewerbsrecht.

April 17, 2015 by Peter Hettich.
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